Gerhart Bergmann
Malen ist leben
Seit mehr als 20 Jahren besitzt der emeritierte Hochschullehrer für Malerei und Radierung an der Hochschule der Künste Berlin ein Haus in Krumstedt bei Meldorf. Seitdem pendelt Gerhart Bergmann zwischen zwei Welten, der Großstadt Berlin und dem abgeschiedenen Dorf in Dithmarschen. Obwohl er die Landschaft an der schleswig-holsteinischen Westküste, die Weite und den Wind, liebt, findet sie keinen unmittelbaren Eingang in sein künstlerisches Werk. Der Charakter seiner Bilder ist ungegenständlich; sein Element sind Farben und Formen.
Malen ist leben – diesen Untertitel hat Gerhart Bergmann nicht von ungefähr für die Ausstellung überwiegend neuerer Bilder im Dithmarscher Landesmuseum gewählt. Diese erste größere Schau seines malerischen OEuvres in Schleswig-Holstein wird in Zusammenhang mit dem bevorstehenden 80. Geburtstag des Künstlers gezeigt.
Nach seiner künstlerischen Ausbildung an der Dresdener Kunstakademie und später bei Max Pechstein in Berlin hat sich Bergmann schnell von der gegenständlichen Malweise gelöst. Zwei frühe Arbeiten innerhalb der Ausstellung aus den fünfziger Jahren zeigen zwar noch figürliche Einflüsse Schlemmers, deuten aber schon die Entwicklung der folgenden Jahre an: Bergmann löst sich ganz vom Gegenstand, konzentriert sich vollkommen auf Farbe und Form. Die Farben an sich und in ihren vielfältigen Beziehungen untereinander werden zum eigentlichen Gegenstand seiner Malerei. Abgesehen von einer längeren Phase in den 70-er und frühen 80-er Jahren, während der er – vielleicht unter dem Einfluss der realistischen Strömungen jener Jahre – vermehrt “Gegenstandsfetzen” in seine Bilder einbezog, blieb Bergmann dieser Linie treu. Von Anfang an zeigte sich darin seine Meisterschaft. Bereits Anfang der 60-er Jahre formulierte Eberhard Boters es so: “Gerhart Bergmann fabuliert mit Farben. Seine Gemälde leuchten in tiefen, satten und saftigen Tönen, die mit zügigem Pinsel und mit breitem Spachtel aufgetragen sind. Goldocker, Krabblack, Zinnober und Rubin, Ultramarin und Kobaltblau, feuriges und lichtes Grün, verhaltenes Grau und gedämpftes Weiß vereinigen sich zu einer Skala von besonders harmonischem Klang und werden in feinen Abstufungen miteinander verbunden oder in scharfen Kontrasten gegeneinander abgegrenzt …“ (1) Damit erzielt Gerhart Bergmann bis heute eine Vielzahl unterschiedlicher Stimmungen und Gefühle beim Betrachter. Sie lassen teilweise auch wieder gegenständliche Assoziationen zu, die durch die überwiegend sehr konkreten Bildtitel noch forciert werden können. Stellvertretend sei das Bild vom Plakat zu dieser Ausstellung, “lnseln im Boten Meer”, zitiert.
Was diese Bilder Bergmanns in ihrer Gesamtheit auszeichnet, ist das, was sie ausstrahlen: die Lust am Malen, die Freude und Begeisterung am Umgang mit Farben, Pinseln und Leinwand. Bis heute gibt sich der Künstler dieser Leiderschaft bedingungslos hin; seine Bilder sind gänzlich frei von der Überfrachtung mit aufgesetzten Inhalten. Dazu passt, dass Bergmann dem Katalog zur Ausstellung seiner Bilder im Neuen Berliner Kunstverein 1982 ein bekanntes Böll-Zitat voranstellte: “Je geringer der Rang eines Künstlers, er desto leichtfertiger sich einen großen lnhalt wählt.” (2) Dieser Gefahr ist Bergmann nie auch nur ansatzweise erlegen. Sein Thema sind nicht die politischen oder gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit. Seine Bilder, offen für unterschiedliche lnterpretationen ohne je beliebig zu werden, erzählen Geschichten, die sich in ihrer eigenen Welt von Farben und Formen abspielen. Angesichts der immer größer werdenden Bilderflut, die tagtäglich auf uns einstürzt, bedeuten sie eine Besinnung auf das Wesentliche – für den Künstler ist Malen leben.
Jutta Müller